Sonntag, 10. August 2014

Gratis 7. Kapitel: Der Pakt

Hallo Freunde der Nacht!
Es geht weiter in der Welt zwischen Göttern und Teufeln. Wir sind schon bei Kapitel sieben angekommen. Heute besuchen wir den Ersten Vampir Marcus in seinem Heim in St. Petersburg. So möchte ich auch leben! ;-) 

Und ihr? Sonntagsfrage: Wie sähe euer Traumhaus aus und wo stünde es, wenn ihr ein Vampir wärt?

Ich wünsche ein dunkel-spannendes Lesevergnügen.

Dunkle Grüße, eure Laya Talis
 
zu allen bisher hier veröffentlichen Kapiteln: Der Pakt gratis

Kopieren und weiterverbreiten des Textes ist nicht gestattet! Danke für euer Verständnis.
Wer es nicht abwarten kann oder mich unterstützen möchte: Das komplette Taschenbuch gibt es hier bei Amazon: Amazon (Taschenbuch) 
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So könnte doch Marcus aussehen
Der Pakt – Zwischen Göttern und Teufeln, 
Band eins
Copyright: © 2013 Laya Talis
 

Kapitel sieben

St. Petersburg, Zwei Tage später

Marcus

Der Mann kniete nieder, als der erste Vampir die große, prunkvolle Eingangshalle betrat. Blassblaue, menschengroße Vasen standen wie stumme Wächter links und rechts neben den vielen Türen, die von diesem Saal abgingen und die gleichen, leeren Gefäße flankierten die ersten Stufe der großen Freitreppe, die in die oberen Stockwerke führte. Marcus´ schwarze Schnürschuhe machten kaum ein Geräusch, als er über seinen sauberen, weißen Marmorboden schritt. Er war ein Mann, der sich seiner Stellung und überlegenen Stärke bewusst war, und jede Bewegung und jeder Blick forderte unerbittlich den Respekt ein, der ihm in seinen Augen gebührte.


„Ich grüße dich, Niklas.“ Lediglich mit einer unscheinbaren Bewegung durch einen seiner Finger, forderte er den blonden Mann auf aufzustehen und ihm in eines der Zimmer, gleich neben der Halle, zu folgen. Keine anderen Vampire als er, seine Gemahlin und seine Sklaven, hatten Zutritt zu den oberen Gemächern.

„Ich grüße Euch, Herr.“ Niklas beeilte sich, Marcus nicht warten zu lassen. Geduld gehörte nicht zu Marcus´ Stärken und Niklas hatte kein Interesse daran, sich den Unmut des ersten Vampirs zuzuziehen. Seine Stimmung war ohnehin immer schlecht, wenn man in seinen privaten Häusern vorzusprechen wagte, und seine Reaktionen waren in nicht unerheblichem Maße von seiner Laune abhängig.


Marcus verweilte jetzt seit fünf Jahren in St. Petersburg und bislang gab es keine Spur von Madleen. Von dem Meister wusste er, dass der Prinz nach wie vor auf ihre Rückkehr wartete, er aber dennoch weiterhin darauf bestand, dass man die kleine Vampirin ihre Freiheit ließ. Er liebte sie und wollte, dass sie freiwillig zu ihm zurückkam. Dieser Narr ahnte nicht, dass Madleen niemals aus freien Stücken einen Fuß in sein Schlafgemach gesetzt hatte. Wie sollte er es auch wissen? Madleen war eine Meisterin der Lügen, die Königin der Verführung – sie war ein Vampir und hatte den Ruf die schönste Frau zu sein, die jemals geboren wurde. Wenn sie zu John gegangen war, dann nur, weil es ihr der Meister befohlen hatte und sie sich so den Schutz des Königs hatte erkaufen können. Als Geliebte des Prinzen, die sie nun seit fast einhundert Jahren war, unterstand sie dem Protektorat des Meisters und war dadurch für jeden anderen Vampir unantastbar. Auch für die Bestie, die sie zu Recht am meisten fürchtete. Antonius hatte ihr nachgestellt, seit er ihr vor Jahrhunderten zum ersten Mal gegenübergestanden hatte, und es wäre nur eine Frage der Zeit gewesen, bis er sie erwischt hätte. Erst durch John war sie vor ihm sicher … Und nun gab sie alles auf. Wegen eines Menschen. Einer Toten!


Marcus hatte sich in den vergangen Jahren oft gefragt, wie es gewesen wäre, wenn er seinem König nicht gehorcht, sondern die intelligente Anna Sander einfach mit sich genommen hätte. Alles aufs Spiel gesetzt hätte, weil … Würde sie noch leben? Es war müßig sich über Dinge den Kopf zu zerbrechen, die nicht mehr zu ändern waren. Marcus hatte Anna nicht entführt. Sie war tot und die Toten wurden nicht wieder lebendig, egal was man tat.


Verärgert, dass er an Anna denken musste, nur weil Madleen ihrem Geist nachjagte und noch mehr, weil er Niklas, als Fürst, der er nun einmal war, anhören musste, durchschritt er sein Arbeitszimmer. Ebenso wie der goldene Kronleuchter in der Eingangshalle immer eingeschaltet war, brannte die edle Lampe mit dem sattgrünen Lampenschirm auf seinem Schreibtisch. Im Vorbeigehen schob Marcus eine der Pergamentrollen ordentlich zurück in das helle Holzregal, das an der Wand gegenüber seinem riesigen Schreibtisch stand. Er hasste Unordnung fast so sehr wie Schmutz oder ungebetenen Besuch. Auf seiner polierten Schreibtischoberfläche lag nichts weiter als ein goldener Füllfederhalter und einige leere Bögen teuren Papiers, in dem er sein Wappen hatte einprägen lassen, das Siegel seiner Familie. Ein Löwe, der neben dem Gott Jupiter schritt. Jupiter, der Göttervater, der der Schutzgott seines Hauses war, und der Löwe das Wappentier seines Geschlechts. Marcus war als Römer, ein wohlhabender Patrizier, geboren worden und als solcher verstand er sich noch immer. Er war seit über zweitausend Jahren ein Vampir, hatte Reiche entstehen und vergehen sehen, doch ein Imperium wie sein Rom es gewesen war, suchte noch immer seinesgleichen.


Er nahm auf seinem Schreibtischstuhl Platz. Eine Sitzgelegenheit ohne Rückenlehne, dem nur ein straff gespanntes dunkelrotes Tuch als Sitzfläche diente. Marcus´ Einrichtung war kostbar und ganz im römischen Stil seiner Zeit als Mensch gehalten. Es mahnte und erinnerte ihn daran, was und wer er war … und auch wie schnell man alles verlieren konnte.

Jeder Boden in seinem Haus war mit teurem, weißen Marmor ausgelegt und die Wände in seinem Arbeitszimmer waren ebenfalls mit diesem glänzenden Stein bedeckt, in denen sich das Deckenlicht spiegelte.


Niklas blieb vor dem Schreibtisch stehen und wartete. Marcus bot ihm keinen Stuhl an, noch deutete er ihm an, sich auf den roten Diwan neben der Tür zu setzen. Er würde diese Annehmlichkeit nur Vampiren anbieten, die ihm an Macht fast ebenbürtig waren oder die er besonders schätzte. Niklas gehörte zu keiner der beiden Gruppen, obwohl Marcus es befürwortete, dass er verwandelt und in den Zirkel des Meisters aufgenommen worden war. Auch wenn Niklas über einen wichtigen Bezirk, in dessen Zentrum New York lag, stellvertretend für den König der Vampire herrschte, achtete Marcus ihn nicht sonderlich.

Aufmerksam beobachtete er den achthundert Jahre alten Vampirfürsten. Niklas' Haltung war selbstsicher, doch auch angespannt. Seine blauen Augen erwiderten Marcus' Blick eine Spur zu lang, dann senkte er, wie er es sollte, seine Lider und neigte den Kopf ein wenig nach unten. Ein schwaches, aber dennoch akzeptables Zeichen der Unterwerfung.

Marcus ließ bewusst noch einige Augenblicke verstreichen, bevor er Niklas endlich aufforderte zu berichten, wieso er hergekommen war. Es waren die kleinen und subtilen Dinge, die anderen zuweilen am besten ins Gedächtnis riefen, wer Herr und wer Gefolge war. Niklas warten und stehen zu lassen, gehörte dazu und obwohl der Fürst es verbarg, so wusste Marcus doch, dass er sich darüber ärgerte.


Niklas sah kurz auf und begann ohne Geplänkel zu erzählen. „Ich musste nach dem Vorfall mit Jonathan drei weitere freie Vampire töten lassen, Herr.“ Niklas breitete seine Arme aus, was entschuldigend und auch resigniert wirkte. Bedauern lag hingegen nicht in dieser Geste. „Es hat sich herumgesprochen, dass Madleen Jagd auf Anna Sander, beziehungsweise ihre Leiche macht.“ Er lachte auf. Jeder wusste, dass Anna Sander tot war und Madleens eisernes Festhalten daran, dass sie noch lebte, deutete er als Zeichen ihres irren Verstandes. Da Marcus ihn nur regungslos ansah, räusperte Niklas sich und sprach weiter. „Madleens Drohung, auch gegen Wächter vorzugehen, ist bekannt geworden, ebenso, dass sie sich ohne Erlaubnis dem Prinzen entzogen hat. Gleichfalls, dass der Meister ihr keinen Einhalt gebietet. Die etwas älteren Vampire scheinen zu glauben, dass das alles eine Legitimation sei, das Abkommen mit dem Rat nicht allzu ernst zu nehmen, da es Madleen nicht tut und dafür nicht reglementiert wird. Ich ersuche um Eure Unterstützung härter gegen die Verräter vorzugehen.“


„Ältere Vampire? Von welchem Alter sprichst du?“ Der Pakt, der die Organisation verpflichtete den Vampiren zu dienen und den Unsterblichen im Gegenzug verbot ihre Mitglieder anzugreifen, erst recht nicht, sie zu töten, durfte nicht gebrochen werden. Der König hielt bedauerlicherweise daran fest.

Niklas zwirbelte sich eine Haarsträhne um den Finger und löste sie sogleich wieder. „Ich meine die Vampire zwischen einhundert und zweihundert Jahren. Die Jüngeren trauen sich nicht zu revoltieren, die Alten sind zu klug, es zu tun.“

Da es nur die wenigsten Unsterblichen schafften über einhundert Jahre alt zu werden, galt ein Verdammter gemeinhin nicht mehr als jung, sobald er die einhundert Jahre überschritten hatte. Für Marcus waren diese aber dennoch lächerlich jung und schwach.

„Es wurden also erneut Wächter angegriffen?“

„Ja, Herr, in meiner eigenen Stadt. Aber keiner wurde getötet. Die Wächter in New York sind sehr gut ausgebildet. Besonders eine der ersten Wächterinnen ist eine hervorragende Soldatin Gottes. Sie und ihre Wächter kümmern sich um die Abtrünnigen. Sie tötet zielsicher und schnell und sei dabei so gewandt wie ein Vampir, wurde mir berichtet. Erstaunlich, da sie eine Frau ist.“


„Soldatin Gottes?“

„So nennen die Wächter sich seit ein paar Jahrzehnten, Herr.“ Niklas strich eine seiner schulterlangen, blonden Haarsträhnen hinter sein Ohr, was ihn beinahe verlegen wirken ließ. „Diese Wächterin kann es allein mit einem jungen Vampir aufnehmen.“

Niklas klang richtig vernarrt in diese Menschenfrau. Interessant. „Wie heißt die Wächterin, von der du so schwärmst?“, fragte Marcus und verbarg sein Amüsement.

„Jessica Sommers.“

„Sommers? Ich kenne diesen Namen. Sie war eines der beiden Kinder, die den Angriff auf Silverrock überlebt haben.“ Silverrock war eine der Privatschulen der Organisation gewesen. Der König der Vampire hatte die Forderungen des Rates nach völliger Unabhängigkeit, auf seine Weise beantwortet; indem er die größte Schule der Organisation zerstören und die sich dort aufhaltenden fünfhundert Kinder hatte abschlachten lassen. Das war der Auftakt zur blutigen Auseinandersetzung zwischen der Organisation und den Vampiren geworden. Beide Seiten hatten Verluste erlitten. Die Menschen jedoch die größeren, was Marcus den endgültigen Beweis gab, dass die Unsterblichen die überlegenere Spezies war. Nach zwei Jahren, wenige Tage nach Tom Sanders Tod, hatte Marcus mit den Masters und Mistresses des Rates einen neuen Pakt abgeschlossen und somit den Krieg beendet. Tom Sander. Der Mensch, dessen Visionen, Fanatismus und Machtgier, die Organisation dazu gebracht hatten, gegen eine Zweitausend Jahre alte Ordnung, in der die Vampire über den Rat herrschten, aufzubegehren.


„Ja, Herr. Das ist genau die Sommers … Aus dem Mädchen soll eine schöne, ungemein attraktive und gefährliche Frau geworden sein.“ Niklas drehte erneut eine seiner Haarsträhnen um seinen Finger. „Ich werde sie mir wohl mal genauer ansehen müssen.“ Er grinste  anzüglich, doch als Marcus ihn nur mit einem kühlen Blick aus seinen hellblauen Augen bedachte, verschwand der heitere Zug um seinen schmalen Mund sofort wieder.

„Du bist ihr noch nicht begegnet?“, fragte Marcus.

„Nein, aber das will ich schleunigst ändern. Ich muss wissen, ob meine Vampire übertreiben oder ob sie wirklich so heiß wie gefährlich ist. Es ist mir immer ein besonderes Vergnügen die Weiber meiner Feinde zu ficken.“ Sein kindisches, grausames Gelächter schallte durch Marcus' Arbeitszimmer. „Keine Sorge, Herr. Ich nehme sie nicht mit Gewalt und werde den Pakt nicht brechen. Sie wird freiwillig zu mir kommen und nach mehr schreien. Wie es die anderen Wächterinnen oder Vermittlerinnen auch taten.“


So … eine schöne, gefährliche Frau, mhm? An schönen Frauen hatte Marcus immer ein besonderes Interesse. Jedoch grundsätzlich nicht an Wächtern. Allerdings als kurzer Zeitvertreib … Die Ewigkeit war schließlich voller Zeit, die es zu füllen galt. Nach über zweitausend Jahren gab es nicht viel, was Marcus noch zu unterhalten in der Lage war, und Abwechslung zu finden, wurde Jahrhundert um Jahrhundert schwieriger. Diese Wächterin klang in dieser Hinsicht vielversprechend. Vielleicht sollte er New York einen Besuch abstatten. Er war sich sicher, dass Ms Sommers eher seinem Werben, als dem von Niklas nachgeben würde.

„Sie ist erste Wächterin unter welchem Vermittler geworden?“, fragte Marcus ruhig und verriet mit nichts seine Gedanken. Er freute sich auf Niklas´ Gesicht, wenn er ihm die Wächterin direkt vor seiner Nase wegschnappen würde.

„Äh … Frank McBright. Er steht unter den Befehl von Mr Simmon und der untersteht – “

„Master Friedrich. Das ist mir bekannt“, unterbrach ihn Marcus in seinen Ausführungen. Er vergaß nie einen Namen.


„Ja, Herr.“ Niklas fummelte an den Spitzen einer Haarsträhne herum.

Marcus bemerkte es und fragte sich, wann der Mann das letzte Mal seine schulterlangen Haare gekämmt haben mochte. Außerdem waren seine Hose und der Mantel zwar sauber, aber verknittert. In welch unordentlichem Zustand dieser Vampir vor ihm erschien! Hatte er keine Sklaven, die sich um seine Garderobe kümmerten? Verärgert über Niklas´ ungepflegte Erscheinung und sein ständiges Spiel an diesen zotteligen Haaren, beugte sich Marcus ein wenig nach vorn. Seine eisblauen Augen fixierten Niklas´ Blick. „Niklas!“, sagte er leise.

„Herr?“ Wie aufs Stichwort zupfte der Vampir an seinen Haaren und zeigte so seine Nervosität. Wie erbärmlich. Ein Vampir seines Alters sollte seine Schwächen besser zu verbergen wissen.

„Binde dir wenigstens die Haare zurück, wenn du schon herum laufen musst, wie ein hässliches Weib.“

Niklas' dünne Lippen verzogen sich zu einem breiten Grinsen, aber er nickte. „Ja, Herr. Ich werde nächstes Mal daran denken, bevor ich Euch unter die Augen trete. Vielleicht leiht mir der Meister eines seiner Lederbänder, mit denen er sich seine weibischen Haare immer bindet.“


Marcus lehnte sich wieder zurück, kreuzte seine Arme vor der breiten Brust und seine Stimme nahm eine Sanftheit an, die paradoxerweise gefährlich klang. „Sarkasmus steht einem Mann nur solange zu Gesicht, wie er seinen Kopf trägt, Vampir. Das gilt auch für Männer, die Frisuren wie Frauen oder Barbaren tragen. Für Könige gelten eigene Gesetze, auf die sich ein Mann, wenn er kein König ist, niemals berufen sollte. Denkst du nicht?“

Niklas' schalkhaftes Grinsen verschwand augenblicklich und in seinen Augen erkannte Marcus zufrieden dessen Vorsicht und seinen Zorn über die Zurechtweisung. „Sicher! Es lag mir fern, mich mit dem Meister zu vergleichen, Herr.“

„Dann unterlasse es künftig, mein junger Freund … Wie reagiert die Organisation auf die Angriffe auf ihre Wächter?“

„Master Friedrich ließ mir ausrichten, dass der Rat zunehmend darüber nachsinnt, Änderungen an unseren Pakt zu verlangen.“

Änderungen? Der Meister würde sehr unzufrieden sein, wenn das bisher erreichte wieder zunichte gemacht werden würde. Das Erreichte … Für Marcus war das Erreichte viel zu wenig. Der König hatte den Menschen eine Unabhängigkeit gewährt, die weit über das hinausging, was Marcus ihnen zugebilligt hätte. Aber es war noch weiter von dem entfernt, was Tom Sander hatte bewirken wollen.


Nachdem Marcus eine Weile beharrlich geschwiegen hatte, begann Niklas wieder unruhig an seinen Haaren herumzuspielen und ergriff schließlich das Wort. „Ähm, Herr … Bezüglich der sich widersetzenden Vampire, äh … Ich würde es bevorzugen, die Bestrafungen etwas ausgefallener zu gestalten. Ich habe da jemanden im Auge, dem ich diese Reglementierungen gern überlassen würde. Wenn Ihr es gestattet.“

Ausgefallener war in diesem Falle ein Synonym für grausam und an wen Niklas dachte, war nicht schwer zu erraten. Besonders, da er sich nicht selbst an den Betreffenden wandte, sondern den Umweg über Marcus einschlug. Nur er könnte diesen jemand beauftragen lassen.

Auch aus anderen Distrikten hatte es ähnlichen Ungehorsam gegenüber der Order des Meisters gegeben. Es war an der Zeit, dass Marcus als erster Vampir ein Machtwort sprach, bevor diese Angelegenheit außer Kontrolle geriet. Bliebe er jetzt untätig, könnte man ihm das als Zustimmung zu diesem Ungehorsam auslegen und das dürfte eine Lawine von Übergriffen zur Folge haben.


„Hast du die Vampire, die nicht gehorchten, durch die Organisation richten lassen?“

Niklas senkte seinen Blick und kratzte zeitgleich seine lange, spitze Nase. „Nein, Herr, natürlich nicht. Ich habe sie von anderen Vampiren fangen und in die Sonne ketten lassen. Sie sind elendig verbrannt.“

Marcus nickte. Er hatte Niklas gegenüber schon deutlich gemacht, dass er es nicht billigte, dass außer von den Vampiren, die die Wächter Blutgeier nannten, die Organisation benutzt wurde, um Vampire auszuschalten. Keinem Wächter stand es zu, seine Hand gegen einen Verdammten zu erheben, bei dem die Verwandlung erfolgreich abgeschlossen war. Die von den Wächtern abfällig als Blutgeier betitelten Vampire, konnten die animalischen Triebe, die in jedem ihrer Art wüteten, nicht beherrschen. Ihrer Gier nach Blut und Tod waren die Abtrünnigen völlig ausgeliefert, bis ihr Verstand schlussendlich zusammenbrach. Sie waren nicht mehr als wilde Tiere. Wertlos. Um die sollten sich die Menschen kümmern.

Der Grund dieser Abnormität unter den Untoten, lag in der Regel in einer fehlerhaften Verwandlung. Ein Vampir, der einen Menschen zu einem Unsterblichen macht, braucht eine gewisse Stärke. War er zu schwach, konnte der Vampir die Verwandlung nicht vollenden. Es lag selten daran, dass der neu erschaffene Vampir die Metamorphose zu einem Abtrünnigen durchlitt, weil sein Geist nicht stark genug war, den Trieben zu widerstehen. Menschen mit einer geistigen Schwäche überlebten die Verwandlung gewöhnlich nicht.


„Es ist dein Territorium, Niklas. Du bist der Fürst dort und grundsätzlich obliegt es dir, zu richten und zu strafen. In diesem besonderen Fall sollten wir jedoch für alle Distrikte die gleiche Art der Hinrichtung wählen. Ich entspreche daher deinem Ansinnen. Sorge dafür, dass sich herumspricht, dass jeder Vampir, der es wagt das Abkommen zu gefährden, Antonius ausgeliefert wird. Informiere auch Antonius, dass ich will, dass er gegebenenfalls die Vollstreckung vornimmt. Er soll den nächsten Verräter foltern und töten, und zwar unter den Augen aller Vampire, die sich in dem betroffenen Bezirk aufhalten. Sollte ein Sklave der Verräter sein, wird auch sein Herr getötet. Wer seine Vampire nicht kontrollieren kann ist ein Schwächling, und ein schwacher Vampir hat den Tod verdient. Auch die Angehörigen des Verräters sollen hingerichtet werden. Mutter, Vater, Kinder und Ehegatten, so sie denn vorhanden sind.“ Das sollte eine hinreichende Abschreckung sein.

Niklas nickte und kniete nieder. „Ja, Herr. Genau das ist es, was mir vorschwebte.“

„Wenn das alles war, will ich, dass du mein Haus verlässt.“

„Ja, Herr. Ich grüße Euch.“ Niklas verließ sofort das Zimmer.

Marcus war sich sicher, dass die Vampire sich zukünftig an das Abkommen halten würden. Antonius war einer der ältesten und stärksten Vampire, fast so alt wie Marcus selbst, und er war ein Sadist. Kein Verdammter war gefürchteter als er, niemand konnte grausamer und langsamer töten. Seine perversen Vorlieben hatte er über die Jahrtausende gepflegt und sein Können perfektioniert.



Die weiße Tür zu seinem Arbeitszimmer öffnete sich einen Spalt und ein wunderschönes Gesicht schob sich durch den Türschlitz.

„Ich grüße Euch, Marcus. Darf ich eintreten?“, fragte die Vampirin, die vorsichtig hinein spähte.

„Ich grüße dich, Carda.“ Marcus erhob sich, kam um den Tisch herum und winkte sie mit zwei seiner Finger zu sich.

Carda schlüpfte ins Zimmer, verharrte in einem eleganten und tiefen Knicks, und sah mit einem bezaubernden Lächeln zu ihm auf. Ihr weißes Kleid raschelte leise, als sie seine angebotenen Hände ergriff und sich in seine Arme ziehen ließ. Sie war zwei Händebreit kleiner als er und ging ihm nur bis zu seiner Nasenspitze. Ihr Haar war ebenso hell wie das seine. Ihres jedoch fiel in prächtigen Locken über ihre Schultern und rahmte ihr ovales Gesicht mit den feinen, ebenmäßigen Gesichtszügen ein. Marcus genoss es Cardas weichen Körper an sich zu spüren, und sog tief den sauberen Duft ihrer Haut und ihres Blutes ein. Unter ihrem Geruch, der eine Spur des Duftes nach Blumen und Salz enthielt, mischte sich die für die Vampire typische Note nach Eisen und Minze. Es war ein magischer Duft, der sowohl für Menschen, wie auch für andere Vampire, betörend roch und sich im Laufe der als Vampir gelebten Jahrhunderte verstärkte. Zärtlich küsste er ihre nackte Schulter und spielte mit einer Strähne ihres herrlichen, blonden Haares.


„Was wollte Niklas von Euch?“, fragte Carda und tastete mit ihren Fingerkuppen sanft über seinen Mund, als er sich wieder aufrichtete und ihr schönes Gesicht betrachtete.

„Das geht dich nichts an“, sagte er völlig ruhig, obwohl sie ihn verärgert hatte. Niklas war ein Vampir des Zirkels. Was er mit ihm oder anderen hochrangigen Vampiren besprach, hatte sie nicht zu interessieren.

Carda nahm hastig ihre Hand von seinen Lippen und er fühlte, wie sich ihre Muskeln verspannten. „Natürlich. Vergebt mir meine Neugierde.“

„Woher weißt du, wer bei mir war? Spionierst du mir nach?“

„W-was? Nein, natürlich nicht. Ich- ich sah Niklas eben aus Eurem Zimmer kommen. Ich war auf dem Weg zu Euch und erblickte ihn zufällig. Ich schwöre es Euch.“ Erschrocken blickte sie zu ihm auf und brachte etwas Distanz zwischen ihre Körper.

„Sah er dich auch? Hast du mit ihm gesprochen? Allein?“

„Nein. Ich habe mich vor ihm versteckt und gewartet, bis er durch die Haustür verschwunden war“, erklärte sie.


„Gut.“ Sein Zorn schwächte ab. Es hätte ihm nicht gefallen, wenn ein anderer freier und auch noch so hochrangiger Vampir wie Niklas sich allein mit seiner Gemahlin unterhalten hätte. Sie gehörte ihm! Besitzergreifend zog er sie wieder näher an sich.

Carda leistete nicht den geringsten Widerstand. Zaghaft lehnte sie ihr Gesicht an seine Schulter und streichelte seine Brust. Ihre schlanken Finger fuhren eher unruhig als liebevoll über den Stoff seines schwarzen Hemdes, dennoch mochte er ihre Berührung. „Es ist eine so schöne und milde Nacht. Möchtet Ihr mit mir einen Spaziergang im Garten machen?“ Sie blickte zu ihm auf und lächelte ihn erneut an, doch jetzt wirkte der Zug um ihren Mund nicht mehr heiter, sondern beinahe gezwungen. Sie war verunsichert, wie sie es schnell wurde, wenn er ihre Liebkosungen nicht sofort erwiderte.

„Nein.“ Er küsste ihre Stirn und trat einen Schritt von ihr zurück, so dass ihre Hände von ihm glitten.


Carda gab einen schlecht gelaunten Ton von sich und kehrte ihm ihren Rücken zu. „Schade … Nun, dann, dann … Ich könnte Euch auf der Harfe etwas vorspielen. Ich habe ein neues Lied gelernt. Es wird Euch sicher gefallen.“

„Nein.“ Ihm war nach einer anderen Art von Zerstreuung und die wünschte er sich dieses Mal nicht von ihr. Er lehnte sich gegen seinen Schreibtisch und überlegte, welche von seinen Sklavinnen er heute Nacht aufsuchen wollte. Hier in seinem Haus in St. Petersburg waren vier seiner Vampirsklavinnen. Er hatte sie her befohlen, damit sie Carda Gesellschaft leisteten und ihr dienten. Carda war seine Ehefrau, eine freie Vampirin. In seinen anderen Heimen, die es noch in vielen anderen Städten der Welt gab, lebten noch mehr Vampire, die er erschaffen hatte und die somit seine Sklaven waren. Zumindest so lange, bis er sich entschloss, sie freizugeben. Falls er sich dazu entschloss. Eigentum war Marcus wichtig und für ihn zählten seine unfreien Vampire genauso dazu, wie seine Häuser. Daher war er kein Mann, der jemanden aus seiner Knechtschaft entließ.


Seit einiger Zeit bevorzugte Marcus besonders Jekaterina, eine seiner jüngeren Sklavinnen, der er in St. Petersburg begegnet war. Sie wäre eine gute Wahl für diese Nacht. Willig, leidenschaftlich und von erlesener Schönheit.

Carda ahnte von seinen Gedanken noch nichts. Schwungvoll drehte sie sich wieder zu ihm um und legte ihre Hände mit einem herausfordernden und anzüglichen Augenfunkeln in ihren Nacken. Dort war ihr Kleid mit einem lockeren Knoten zusammengebunden. Der weiße, weiche Stoff kreuzte sich über ihren großen Brüsten und fiel von dort in zwei langen Bahnen bis zu ihren Füßen. Nichts weiter als dieser Knoten unter ihrem Haar hielt ihr Kleid an ihrem Körper, und wenn er es gewollt hätte, könnte er den Stoff vorne ohne Umstände teilen und einfach zur Seite schieben, um ihren nackten Leib zu bewundern.


„Dann wüsste ich vielleicht etwas anderes, was Euch sicher gefallen wird“, säuselte sie und trat näher zu ihm. Ihr Kleid rutschte dabei schon etwas herunter und entblößte ihre weißen, festen Brüste. Im Schein der hellen Deckenlampe funkelten der breite, goldene Reifen, der ihren Oberarm umspannte und die dazu passende goldene Kette um ihren Hals.

Marcus jedoch hob gebietend seine Hand und augenblicklich hielt Carda in der Bewegung inne. Sie bedeckte sich schnell und band den Knoten wieder zu. Mit geschlossenen Lidern ließ sie ihre Hände sinken. Er wusste, dass die Zurückweisung sie kränkte, es änderte jedoch nichts an seinem Entschluss. Er wollte heute Jekaterina und nicht sie.

Als Carda ihn wieder ansah, war jeder anlockende Zug aus ihrem Gesicht, dem von Enttäuschung gewichen.


Marcus neigte seinen Kopf zur Seite und betrachtete einen Moment ihren Körper, dessen Rundungen sich deutlich unter dem Kleid abzeichneten. Sie war eine bemerkenswert schöne und sinnliche Frau. Sofort als er sie zum ersten Mal gesehen hatte, hatte er sie begehrt und es bislang nicht bereut, sie zu seinem Weib gemacht zu haben. Ihr Haar war blond, was ihm besonders gefiel, die Iris ihrer Augen von einem dunklen Grün. Es war ein herrlicher Kontrast. Sie war eine der schönsten Frauen, die Marcus jemals gesehen hatte. „Geh und unterrichte Jekaterina, dass ich sie in einer Stunde in ihrem Schlafgemach erwarte.“ Welche Augenfarbe wohl die Wächterin Jessica Sommers hatte?

Cardas Augen leuchteten zornig auf, doch sie knickste tief und ergeben vor ihm und antwortete gepresst: „Wie Ihr wünscht!“


Er billigte ihr zu, dass sie wütend war, denn sie war seine Gemahlin und nicht nur eine Sklavin wie Jekaterina. Aber er war älter und stärker als sie. Er war der erste Vampir und auch sein Weib durfte sich seinen Anweisungen nicht widersetzen. Kein Vampir durfte das.

„Ich habe noch eine Bitte, Marcus.“

„Sprich!“, forderte er sie überrascht auf, denn Carda ersuchte ihn so gut wie nie um etwas.

Sie hielt ihren Blick jetzt auf den Boden gerichtet und ihre Hände krallten sich zu Fäusten in die Falten ihres Gewandes. Marcus konnte hören, dass ihr Herz schneller zu schlagen begann und er konnte auch wahrnehmen, dass sich ihr Duft veränderte. Sie fürchtete sich offenbar davor, ihren Wunsch zu äußern, was seine Neugierde noch weiter anstachelte. Ungeduldig verschränkte er die Arme vor seiner Brust. „Carda, sprich  oder geh, und tu, was ich dich hieß.“


Carda zuckte zusammen und holte tief Luft. „Ich- ich war schon so lange nicht mehr in meiner Heimat.“ Sie schluckte und schaute zu ihm, wobei sie ihren Kopf gesenkt hielt. „Ich wollte Euch bitten, mit mir nach Spanien zu gehen. Ich möchte mein Madrid sehen. Es sind jetzt über einhundert Jahre her, dass ich dieses Haus verlassen durfte.“

Einhundert Jahre? Hatte er ihr wirklich schon so lange befohlen in St. Petersburg zu bleiben?

„Nein, ich habe kein Interesse nach Madrid zu gehen“, entschied er dennoch hart. Er wollte noch eine Weile in seinem Haus, mit seinen Lieblingssklavinnen und ihr verweilen. Fern ab von den anderen Vampiren, die sich auf dem kleinen Gebiet Europas im Vergleich zu hier in großer Zahl aufhielten. In Madrid hatte er nicht einmal ein eigenes Haus, sondern sie müssten mit Cardas Anwesen vorlieb nehmen. Nein, dazu hatte er wirklich keine Lust. Er dachte wieder daran, Niklas nach New York zu folgen. Natürlich ohne Carda.

„Dann, dann könnte ich vielleicht … ohne Euch gehen?“, flüsterte Carda, wobei sie die letzten drei Worte so leise aussprach, dass er sie kaum verstand.


Ohne ihn?

„Nein. Du wirst dieses Haus gewiss nicht ohne mich verlassen, meine Liebe“, sagte er. Zornig, dass sie es überhaupt wagte, danach zu fragen. Sie wusste, dass er es ihr nicht gestattete, allein auch nur einen Meter sein Grundstück zu verlassen und schon gar nicht würde er ihr erlauben, ohne ihn eine Reise zu unternehmen.

„Marcus“, gab sie jedoch nicht auf. Sie schritt zu ihm, um seine Hände zu ergreifen und führte diese zu ihren Mund. Mit ihren weichen Lippen küsste sie einige Male seinen Handrücken, bevor sie weitersprach. „Ich könnte ein paar Sklavinnen mitnehmen und sie immer bei mir behalten. Ich werde mit niemand sprechen, jedem Vampir aus dem Wege gehen. Ich möchte natürlich nicht gehen, solange Ihr hier seid. Ich will immer an Eurer Seite sein, dass wisst Ihr. Ich bitte Euch, es zumindest in Erwägung zu ziehen. Ich bin hier so einsam, wenn Ihr fort seid. Mein Madrid fehlt mir. Bitte.“


„Ich feilsche nicht, Carda“, sagte er ruhig, obwohl er kurz davor stand sie zu schlagen. Mit einem Ruck entzog er ihr seine Hände.

„Aber-“

„Schweig!“ Er spürte, wie seine Augen aufleuchteten und machte sich nicht die Mühe es zu verbergen.

Carda kniete sofort nieder. Jetzt war ihre Angst für ihn deutlich zu riechen. Ihr Duft wurde süßlicher, doch dennoch bewahrte sie äußerlich ihre Fassung. Sie zeigte Stolz und Mut. Das gefiel ihm. Feigheit mochte er nicht. „Marcus, ich … ich-“ Sie stockte und neigte ihren Kopf tief vor ihm. „Ich bitte um Vergebung. Es lag nicht in meiner Absicht, Euch zu verärgern, Herr.“

Er fasste unter ihr Kinn und schob ihr Gesicht nach oben, um sie ansehen zu können. „Dann unterlasse es künftig und frage mich dergleichen nicht wieder. Geh!“

Sie nickte und verließ mit eiligen Schritten das Zimmer.
 

3 Kommentare:

  1. Hallo, Laya!
    Bin über Facebook auf deinen Blog aufmerksam geworden und finde ihn schön. Du gibst dir viel Mühe für deine Fans - und deshalb möchte ich dich für eine Sache sensibilisieren: Benutze besser keine Berühmtheiten für die Werbung deiner Texte. Sam Worthingtons Gesicht für deinen Marcus einzustellen könnte zu einem teuren Rechtsstreit führen - gerade wenn du weder einen Hinweis postest, woher du das Foto hast, noch, woher du die Erlaubnis hast, es zu verwenden - aber gleichzeitig auf die eigenen Rechte am Text (zu Recht) hinweist.
    Es gibt genug Juristen, die sich mit solchen Vorfällen eine goldene Nase verdienen.
    Viel Erfolg mit deinem Buch,
    liebe Grüße, Anke

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    1. Hallo Anke,
      durch die starken Veränderungen am Originalbild sind keine Urheberrechte am Bild verletzt und ich denke nicht, dass der Schauspieler sich daran stört, dass er Ähnlichkeiten mit einer Romanfigur aufweist. :-) Er ziert ja kein Cover oder so. Aber danke für den Hinweis. Werde ihn beachten.
      Dunkle Grüße
      Laya

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    2. P. S.: Und ich kopiere ja auch keinen von Sams Filmen. ;-) Ich denke nicht, dass man eine Raubkopie mit so etwas vergleichen kann.

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